Sternstunden des Weinhändlers

Literatur

Meine Sternstunden des Weinhändlers, bisher nur auf meinem Facebook Account veröffentlicht, werde ich erstmals auch öffentlich vortragen. Wer sie noch nicht kennt, hier ein kleiner Vorgeschmack auf das von mir als Weinhändler Erlebte:

Sternstunde des Weinhändlers am 13.04.2017
Ein lauer Dienstag. Nicht viel los. Ich bastel an irgendwelchen Gedanken für mein Onlinegeschäft.
Merke es deswegen auch nicht direkt, daß da jemand auf Katzenpfoten ins Weinhaus kommt. Eigentlich so leise wie ein Mann kaum sein kann. Normal ist der Mann als solcher laut, wenn er den Laden betritt. Der Mann möchte wahrgenommen werden. Nicht durch seinen Augenaufschlag oder burschikos feminines Gehabe. Nein, der Mann an sich nähert sich mit festem Schritt und steht dann erst mal da. Dieser Mann war anders. Beinahe wie eine Raubkatze war er reingekommen und stand dann auch fast schon neben dem Weinhändler. Anfang 30, hager, schwarzer Vollbart und kaum noch Haare, zierlich und irgendwie etwas von einem Hipster. Wobei ich bisher der Meinung war, diese modische Spezie hätte noch gar nicht ihren Weg in die Stadt an der Wupper gemacht. Aber egal, jetzt war er da und stellt mich erst mal auf die Probe:
"Sag mal, habt ihr auch so veganes?" Freundchen, dachte ich, du bist hier richtig! "Tachchen! Also vegane Weine meinst du? Ja, haben wir. Sogar breit gefächert."
"Dann seit ihr eine gute Weinboutique."
Ach so, eine Boutique habe ich hier. Hipster, ick hab' dir besonders lieb!
"Ja, wenn du meinst. Aber was suchst du denn? Rot oder weiß?"
"Sach mal, kennst du The Clash? Ich meine diese Punkband aus London?"
Hoppla, das war jetzt ein flotter Wechsel. Oder meint mein neuer Lieblingskunde, der Inhaber einer Weinboutique müsse in vielen Sätteln gerecht sein? Scheinbar ja! Dann kramte ich in meinem nicht sehr aufwendig gefüllten Musikgedächtnis der Popmusik.
"London Calling. Das fällt mir dazu ein." eröffne ich die fachliche Diskussion.
"Ja, das war damals ein wichtiger Titel." und sinnierend beugt er sich auf unseren Verkostungstisch.
Hoppla, denke ich noch mal! London Calling und die Punks das war doch Anfang der achtziger Jahre. Und der Typ ist doch noch gar nicht so alt. Als Punk geht der auch nicht durch. Oder sind die Hipster die neuen Punks?
"Als ich zum ersten mal "Should I stay or should I go" von denen gehört habe, da war das für mich wie ein Anfang. Das hat mich zum Vegetarier und später zum Veganer werden lassen."
Bäng! Der Knoten ist geplatzt. Hier wird nicht mein Wissen über Punkmusik abgefragt, hier hat mir der Typ gerade was von seinem coming out der besonderen Art erklärt. Dem verkauf' ich jetzt meine veganen Ladenhüter...
"Und weißt du was....?" - "Nee, erzähl' ich weiß nicht worauf du hinaus willst...." - "Ich bin neu verliebt und meine Freundin trinkt nur Rosé. Hast du Rosé?" - "Habe ich. Nimm mal den hier. Ist zwar nichts Veganes - steht zumindest nichts drauf - aber unterstützt Frühlingsgefühle."

Die Schneidersuse, oben vom Ölberg, hat mich eingeladen in ihrer schmucken Schreinerstube ein paar von meinen Kunden mit meinen Sternstunden noch einmal aufleben zu lassen.
Ich verspreche einen lustigen, angenehm beschwipsten Abend und vielleicht erkennt sich der eine oder andere in meinen Erzählungen ja wieder. Wäre zumindest schön.