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Eva ein Opfer von Werbeanzeigen, Penelope eine Kokette, Aschenputtel eine Masochistin? Claude Cahun präsentiert fünfzehn Heroinnen von Judith über Sappho und Salome bis hin zum »Gretchen«, wie man sie noch nie gesehen hatte. Dafür schöpft sie aus allen Quellen der abendländischen Hall of Fame wie antiker Mythologie, Bibel, Märchen und Fabeln, ergänzt um eigene Fiktion. Das 1920-1924 entstandene, Fragment gebliebene Projekt der Heroinnen steht in der Tradition der Moralités légendaires (1887) von Jules Laforgue und der Vies imaginaires (1896) von Cahuns Onkel Marcel Schwob, aber auch von Repräsentanten moderner dichterischer Mythendeutung wie Wilde und Cocteau. Monologisch angelegt, teils als Stream of Consciousness, voller Illusionsbrüche, ironisch, unverfroren und provokant, sollen die Heroinnen niemanden gleichgültig lassen. Um im patriarchalischen Kapitalismus die Macht des Gewordenen über das Bewußtsein zu brechen und für neue Identitäten Raum zu schaffen, überantwortet Cahun die zu totem Bildungsgut versteinerte Vergangenheit wieder dem Mythos, damit sie durch Phantasie zu neuem Leben erweckt werde. Claude Cahun, die große queere Künstlerin, ist als gender- und identitätssprengende Photographin und Collagistin heute weltweit bekannt, mit ihren transgeschlechtlichen Selbstporträts eine Ikone der Postmoderne. Cahuns literarische Werke indes sind im Panorama der Moderne eine einzigartige Erscheinung und unabdingbar zum Verständnis ihres revolutionären ästhetischen und politischen Programms.
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